Eine Freundin sitzt mir gegenüber und schaut mich fragend an. Ihr Freund hat sie verlassen. Es ist der Dritte in einem Jahr. Sie ist wund und fassungslos. Ich bin älter als sie und sie hofft auf meinen erfahrenen Rat. Kann ihr Meditation helfen? Wobei? Einen Mann zu finden?
Am Anfang war der Liebeskummer
Tatsächlich begann ich vor acht Jahren von einem Tag auf den anderen regelmäßig zu meditieren, um einen unerträglichen Liebeskummer zu bewältigen.
Ich sah zu diesem Zeitpunkt keine andere Möglichkeit, mich selbst zu regulieren. Ich wollte kein Hilfe mehr im Außen suchen, sondern die Sache selbst in die Hand nehmen.
Mein erste Anleitung erhielt ich durch die CDs und Bücher von Jon Kabat Zin, dem Begründer der „Mindfulness-Based Stress Reduction“ (MBSR).
Die Anweisungen waren klar und meine ersten Erfahrungen überraschend einfach.
Stressreduktion ist jedoch nur ein kleiner Teil dessen, was ich in den Jahren des Übens erlebte.
Was ich meditierend für mich fand
Täglich übend fand ich einen Ort in mir, an dem ich mich ruhig und sicher fühlte.
Bald freute ich mich auf dieses morgendliche und manchmal auch abendliche Stelldichein mit mir selber. Ich akzeptierte, dass ich üben musste, als würde ich ein Instrument lernen.
Der zwanghafte Fokus auf Bestätigung von außen wich einem wachsenden Gefühl von Unabhängigkeit, Ruhe und Selbstwirksamkeit
Viele Wege und eine grosse Herausforderung
Ich habe seitdem viele Arten von Meditation versucht: Kundalini- Meditationen mit Mantras und Mudras, die unterschiedlichsten geführten Varianten, bewegte Meditationen von Osho und einiges andere.
Schließlich entschloss ich mich in einer Situation von Unsicherheit und Veränderung zu einem Vipassana Retreat: 10 Tage meditieren und schweigen. Dass ich nicht schon am ersten Tag schreiend davon gelaufen bin, ist nur der Tatsache geschuldet, dass das Retreat- Zentrum mitten in unwegsamem Gelände weit weg von der Zivilisation lag. Also hielt ich durch, sass vom sehr frühen Morgen bis zum Abend, litt, lebte, staunte und wurde reich belohnt. Auf der Rückfahrt sah ich alle Farben strahlender, die Landschaft schärfer. Meine Gedanken waren ruhig und klar. Ich war ein Stück weit „nachhause“ gekommen.
Heute übe ich je nach Befindlichkeit verschiedene Arten von Meditation, aber meine Favoritin ist ganz klar die schlichteste von allen: Ich sitze mit geradem Rücken, atme und schweige. Vor 8 Jahren begann ich mit 10 Minuten. Heute ist es eine Stunde am Morgen. Ich kann nicht mehr ohne. Es ist zu meiner Konstante geworden in meinem Leben, das alles andere als beständig und sicher ist.
Zurück zur Frage meiner jungen Freundin: Kann Meditation ihr helfen? Unbedingt!
Es ist egal, ob ihr Freund sie verlassen hat, sie ihren Job verlor oder ihre Wohnung abgebrannt ist. Der Buddhismus spricht von der Impermanenz alles Seienden. Veränderung, das Spiel von Gewinn und Verlust, ist unvermeidbar. Wir müssen nur in den Spiegel schauen um dessen gewahr zu sein.
In der Meditation kultivieren wir eine gesündere Haltung gegenüber dem Wandel. In der Stille des bewussten Nichtstuns lernt man tiefer wahrzunehmen, zu akzeptieren, Gleichmut zu üben und sich als Teil, aber nicht als Mittelpunkt dieses Tanzes zu erleben.
Täglich mit geschlossenen Augen auf dem Kissen zu sitzen wird meiner Freundin nicht auf wundersame Weise den ersehnten Partner bescheren. Aber es kann eine verbindliche tiefe Liebesgeschichte mit ihrem eigenen besten Selbst anbahnen.
Zieht man die unwiderstehliche Ausstrahlung und Anziehungskraft von Menschen in Betracht, die selbstbewusst und sicher in sich ruhen, erhöhen sich mit der täglichen Übung die Chancen für erfülltere Begegnungen.
Hier ist mein Vorschlag für deine tägliche Meditationspraxis:
- Wähle eine Tageszeit, zu der du mehr oder weniger immer bereit sein wirst zu üben. Die meisten Menschen bevorzugen den frühen Morgen.
- Finde einen ruhigen Ort, wo du mindestens 10 Minuten sitzen ungestört und aufrecht sitzen kannst- auf einem Kissen am Boden oder auf einem Stuhl. Stelle den Timer deines Telefons auf 10 Minuten.
- Zu Beginn deiner Session erinnere dich still selbst daran, warum du übst. Das könnte zum Beispiel sein: „ Ich möchte wach und aufmerksam gegenüber meiner Erfahrung sein, ohne sie zu beurteilen.“
- Mit geschlossenen Augen beginne deine Aufmerksamkeit auf deinen Körper zu richten. Nimm wahr das Gefühl in deinen Füssen oder deinen Beinen auf dem Boden, die Berührung deiner Hände auf deinem Schoss, der Kleidung auf deiner Haut.
- Nimm nun deine Muskeln wahr. Vielleicht bemerkst du hier und da Spannung oder Enge. Atme in diese Stellen und lass deinen Körper weicher werden und lass los.
- Verbringe ein paar Momente einfach mit dem Beobachten der Empfindungen in deinem Körper. Versuche nicht, sie zu verändern oder zu beurteilen. Akzeptiere die Erfahrung in diesem Moment, egal ob sie angenehm, unangenehm oder neutral ist.
- Wenn deine Gedanken beginnen zu wandern und dich ablenken, akzeptiere dies einfach und dann, ohne dich dafür zu verurteilen, wende deine Aufmerksamkeit sanft wieder auf deinen Körper. Es ist normal, dass dein Geist beginnt zu wandern. Nimm es freundlich an und richte ihn wieder zurück auf deinen Körper.
- Deine Haltung während dessen sollte die einer warmen Neugier gegenüber der Erfahrung sein. Indem du diese Einstellung kultivierst, legst du die Grundlage für ein freundliches urteilsfreies Verhältnis zu jeglicher Erfahrung in deinem Leben.
- Du kannst deine Aufmerksamkeit nun auch auf deinen Atem richten. Nimm das Gefühl war, wenn die Luft deine Nasenflügel beim Aus- und Einatmen passiert. Folge diesem natürlichen Fluss, neugierig über die Eigenart jeden Atemzuges, sei er flach, tief, rau oder sanft. Wenn deine Gedanken beginnen zu wandern, führe sie sanft zum Atem zurück.
cordula böhm
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