„….eine Gelegenheit Mut zu üben.“ Von der Möglichkeit, Fülle in der Beschränkung zu finden

Wir alle wissen nicht, wie lange uns die Corona- Krise beschäftigen wird.
Viele Menschen fühlen sich verunsichert und ängstlich.
Die Welt scheint aus den Fugen.

Alleinsein und Unsicherheit sind eine riesige Herausforderung an unsere Selbstbestimmungskräfte und die Fähigkeit uns selber zu regulieren.

Es hat mich seit jeher interessiert, zu erkunden, wie ich mir selber Struktur geben kann.
Und es hat mich gereizt, Situationen jenseits der Komfortzone zu erkunden.

Ich erinnere mich an Erlebnisse, die äußerlich beschränkt, aber innerlich reich gewesen sind:

2010 fuhr ich mit dem Bus von Zürich nach Nordspanien, um von dort nach Santiago de Compostela zu pilgern. Ich hatte wenig Geld und nur 6 kg Gepäck auf dem Rücken. Jeden Tag lief ich um die 30 km, was mich an den Rand meiner Leistungsfähigkeit brachte. Die Nächte verbrachte ich in überfüllten Schlafsälen.
Aber ich vergesse nie den Zauber der einsamen frühen Wanderungen durch alte Eichenwälder oder karge weite Flächen, die tiefen Begegnungen und den Stolz, diese selbsterlegte Herausforderung bewältigt zu habe.

2019 nahm ich an einem Vipassana- Retreat teil.
10 Tage Meditation von morgens 5 Uhr bis abends 21 Uhr ohne zu sprechen, zu lesen, zu schreiben oder Medien zu konsumieren.
Es war hart, sehr hart. Eigentlich wäre ich gern schon nach dem ersten Tag davon gelaufen. Aber es hat sich gelohnt durchzuhalten. Die Ruhe und Abwesenheit jeglicher Ablenkung hat mich sowohl durch tiefe emotionale Täler als auch zu ungekannten Gefühlen von Eins- und Verbundensein geführt. Am Ende habe ich mich und die Welt klarer wahrgenommen. Ich möchte diese Erfahrung nicht missen.

2000 erlebte ich nach einer schwierigen beruflichen Zeit einen Burnout und war für mehrere Wochen krank geschrieben. Es war ein kalter Winter in Zürich. Ich war nicht in der Lage meine Wohnung zu verlassen, aber zuhause fühlte ich mich sicher und wohl.
Jeden Tag saß ich auf meinem roten Sofa und schrieb von morgens bis abends auf, was ich während meiner langen Reise durch den Nahen Osten erlebt hatte.
Es gab keinen äußeren Druck, nur die Ruhe meiner Wohnung. Oft ging ich nicht einmal ans Telefon, weil Gespräche mir zu anstrengend erschienen. Ich genügte mir selber.

Ich habe sechs Jahre lang in Bethlehem/ Palästina gelebt und gearbeitet.
In der Krisenregion gehören Unsicherheit und Unberechenbarkeit zum täglichen Leben. Gewalt und Anspannung liegen in der Luft.
Bethlehem ist eine kleine Stadt zu großen Teilen umgeben von einer hohen Mauer.
Shoppen gehen, abends in die Kneipe, soziale Events? In der ersten Zeit fürchtete ich vor Langeweile zu sterben.
Und dennoch sind diese Jahre zu den allerbesten meines Lebens geworden. Ich habe wenige tiefe Freundschaften gefunden, meine Yoga und Meditationspraxis vertieft und zur Routine werden lassen.
Und noch immer vermisse ich jetzt das gleißende Licht und den weiten Himmel.

Ich liebe die Wüste.
Auf einer meiner zahlreichen Reisen wurde ich krank und war gezwungen, bei einer Beduinenfamilie zu bleiben um gesund zu werden.
Es passierte nicht viel in diesen Tagen: Meine Matratze lag vor dem Zelt auf einem Hügel, die Frauen brachten mir Suppe und Tee. Wenn ich nicht schlief, beobachtete ich die Kinder beim Spielen, die Tiere und das wechselnde Licht. Ich lauschte den geschäftigen Geräuschen und der fremden Sprache und fühlte mich wunderbar darin aufgehoben. Irgendwann fühlte ich mich wieder kräftiger und reiste weiter.
Auch diese Tage zählen zum Wertvollsten, was ich in meinem Erinnerungsschatz finden kann.

Nun möchte ich nicht der Beschränkung das Wort reden und die derzeitige Krise beschönigen.
Ich folge den Nachrichten und ich bin tief besorgt.
Aber noch befinden wir uns in komfortablen Wohnungen und sind gut versorgt. Wer verantwortlich handeln möchte, bleibt daheim.
Statt dies als quälende Einschränkung zu beschreiben, ist es auch möglich die Situation umzudeuten:

 

“Wenn du alles verlierst,
ist das eine Gelegenheit Mut zu üben,
indem du aufstehst für das, was nicht verloren gehen kann.”
(A lamp in the darkness/ Jack Kornfield)

  

Und das ist vielleicht die tiefste Herausforderung dieser Krise. 

Sie entschleunigt uns und nötigt uns die längst fällige Frage danach auf, was wir wirklich brauchen und was uns wirklich ausmacht. 

Man kann den Rückzug als unzumutbaren Fluch betrachten.
Besser aber, wir sehen darin einen Gestaltungsraum und eine Herausforderung.
Es ist möglich, in der Beschränkung die Fülle zu entdecken, wenn wir mutig genug sind.

 

cordula böhm
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