Als Expat durch die Krise

Warum es mir gelungen ist, meine Zeit im Ausland zur besten Zeit meines Lebens werden zu lassen

 

„Fremdsein ist ein gewaltiges Handwerk,

 das Fleiß und Fertigkeit erfordert.“

F.Werfel „Zwischen Oben und Unten“

 

Steine, Olivenbäume und unendliche Erschöpfung…

 

Dafür hatte ich mein komfortables Leben in Zürich aufgegeben?

Auf meinen vielen wunderbaren Reisen durch den mittleren Osten habe ich mir oft gewünscht, länger in der Region zu leben. Ich war fasziniert von dem gleißenden Licht über der Wüste, freundlichen Menschen, den Farben, dem Fremden.

Und dann kam die Gelegenheit: Eine Stelle als Entwicklungsberaterin in einem Kulturzentrum in Bethlehem.Nach einem Jahr Leben und Arbeiten dort hatte meine Frustration allerdings ein bedenkliches Maß erreicht. Daß ich auf einem Ausflug in die Wüste Opfer eines Überfalls wurde, war letztlich nur der letzte Tropfen, der das Burn-Out- Faß zum Überlaufen brachte.

Die Organisation, in der ich arbeitete, hatte mich nach meiner Ankunft keinesfalls mit offenen Armen empfangen, sondern geflissentlich ignoriert. Mit meinem deutschen Bedürfnis, effizient und zielgerichtet zu arbeiten, stieß ich, wenn ich dann schon mal die Gelegenheit hatte, mich einzubringen, an die Grenzen anderer Werte und Arbeitsweisen.

Obwohl ich mich gut vorbereitet hatte, hatte ich Mühe, mich in dem konfliktgeschüttelten Kontext zu orientieren. Je länger ich darin lebte, desto komplexer und verstörender wurde alles. Wenn ich stundenlang am Checkpoint wartete, um von A nach B zu kommen, Tränengasschwaden zum Fenster herein wehten oder Reifen auf der Straße zum Lebensmittelladen brannten, befiel mich zuweilen unsägliche Wut und Ohnmacht. 

Als Touristin hatte ich den Sternenhimmel über der Wüste bewundert. Jetzt aber prallte ich auf die ganze Wucht einer fremden Realität und schlitterte in eine echte Krise.

 

Seit Tagen hatte ich das Haus nicht verlassen. Wie weiter?

Aufgeben und meinen Vertrag kündigen? Warten, bis ich mich besser fühle und dann so weiter machen wie bisher?

Zum Glück hatte mir meine Organisation eine Coach zur Seite gestellt, die mich während dieser Krise eng begleitete und zunächst dazu ermutigte, eine längere Pause einzulegen.

Tatsächlich fühlte es sich an, als befände ich mich in einer schwierigen, demnächst scheiternden Liebesbeziehung.  

Okay: Beziehungspause. Mein neuer Partner Bethlehem war einerseits aufregend, unergründlich, fremd- andererseits unberechenbar, auf schockierende Art abweisend und anstrengend.

Ich war mir nicht sicher, ob wir wirklich zusammenpassen, aber ich wollte ihn auch nicht aufgeben. 

Die Auszeit, in der meine Kräfte langsam wieder zurückkehrten, verbrachte ich an meinem Herzensort im Sinai. 

Ich erinnere mich sehr genau an den Moment, als nach der langen Rückreise durch die Wüste die berückend schöne Silhouette Jerusalems auftauchte. 

Ich faßte einen Entschluß: 

Ich werde bleiben und diese Beziehung so lange fortsetzen, bis ich gelernt habe, meinen Platz darin zu finden.  Ich werde den Widerstand aufgeben, geduldig sein, lernen und wenn nötig auf den Tisch hauen. Wenn ich gehe, werde ich in Liebe gehen.

Während der folgenden 4 Jahre änderte sich vieles

  • Meine Entscheidung führte dazu, dass ich geduldiger wurde und mich immer wieder auf mein „WARUM“ besann.
  • Während ich zuweilen für die 35 Kilometer von Bethlehem nach Ramallah vier Stunden im Auto saß, hatte ich mir angewöhnt, einen buddhistischen Podcast zu hören oder Mantras zu chanten.
  • Ich begann kleine kreative Dinge in meiner Organisation zu tun, die eigentlich nicht zu meinen Aufgaben gehörten. Der Direktorin gefiel das und sie wurde aufmerksamer und offener. Außerdem bat ich um eine Aussprache, in der ich meinen Emotionen Luft machte. Von da an arbeiteten wir gut zusammen. 
  • Ich absolvierte privat eine Yoga- Lehrerinnen Ausbildung. Tägliches Yoga und Meditation stabilisierten mich auf allen Ebenen. Yoga zu unterrichten war eine große Freude.
  • Ich kaufte mir eine Nähmaschine und sorgte dafür, dass ich auch neben der Arbeit kreativ blieb.
  • Ich erhielt den Auftrag, ein Kinderbuch zu gestalten und tat es.
  • Ich organisierte Workshops und ein großes Stress- Relief- Projekt für einheimische Frauen. Das brachte mich in Kontakt zu jungen palästinensischen Pionierinnen auf dem Gebiet von Resilienz und Self- Care. Mit ihnen lernte ich eine hoffnungsvolle und kreative Seite in dem immer schwelenden gewaltsamen Konflikt kennen.
  • Ein wachsender Freundeskreis trug mich durch viele Zweifel, Sinnfragen und Winter ohne Heizung.
  • Meine Coach war da, vor allem, wenn es um die Frage nach dem DANACH ging.

Nach insgesamt fast sechs Jahren verließ ich Palästina sehr schweren Herzens.

 

Ich hatte meinen Entschluß umgesetzt:

Es war mir gelungen, mich geduldig fremden Umständen zu stellenund sie lieben zu lernen. 

Heute blicke ich auf diese sechs Jahre voller Dankbarkeit zurück. Es war eine der unkomfortabelsten, intensivsten und lebendigsten Zeiten in meinem bisherigen Leben, in denen ich auf vielen Ebenen gewachsen bin.

 

cordula böhm
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